Wechselwirkungen zwischen Boceprevir (Victrelis®) und Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitoren

 
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Wechselwirkungen zwischen Boceprevir (Victrelis®) und Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitoren

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Gepostet: 30.03.2012 - 12:27 Uhr  ·  #1
Rote-Hand-Brief: Arzneimittelinteraktionen zwischen Boceprevir (Victrelis®) und Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitoren

In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde (EMA) möchte MSD Sie mit diesem Schreiben über neue Erkenntnisse zu Arzneimittelinteraktionen zwischen Boceprevir, einem oralen Inhibitor der Hepatitis C-Virus (HCV)-NS3/4A-Protease und Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitoren informieren.

Eine pharmakokinetische Studie bei gesunden Freiwilligen hat gezeigt, dass die gleichzeitige Anwendung von Boceprevir mit Ritonavir (Rtv)-geboostertem Atazanavir, Darunavir oder /Lopinavir zu folgenden Ergebnissen führte:

o Deutliche Abnahme der Plasmakonzentrationen der HIV-Proteaseinhibitoren mit Reduktion der mittleren Talspiegel von Atazanavir/Rtv, Darunavir/Rtv und Lopinavir/Rtv um 49%, 59% bzw. 43%.
o Abnahme der Plasmakonzentrationen von Boceprevir um 45% bei gleich¬ zeitiger Anwendung mit Lopinavir/Rtv sowie um 32% bei gleichzeitiger Anwendung mit Darunavir/Rtv. Dagegen führte die gleichzeitige Anwendung von Atazanavir/Rtv und Boceprevir zu keiner nennenswerten Änderung der Plasmakonzentration von Boceprevir.

Aufgrund dieser pharmakokinetischen Daten wurde der Abschnitt 4.5 der Fachinformation von Victrelis wie folgt aktualisiert:

o Die gleichzeitige Anwendung von Boceprevir und Darunavir/Rtv oder Lopinavir/Rtv wird nicht empfohlen.
o Die gleichzeitige Anwendung von Atazanavir/Rtv und Boceprevir führte zu einer geringeren Atazanavir-Plasmakonzentration, die mit einer verminderten Wirksamkeit und einem Verlust der HI-Virussuppression verbunden sein kann. Falls die gleichzeitige Anwendung als notwendig erachtet wird, könnte diese im Rahmen einer Einzelfallbewertung bei Patienten in Betracht gezogen werden, die eine supprimierte HIV-Viruslast aufweisen und bei denen kein Verdacht auf eine Resistenz des HIV-Stammes gegenüber dem HIV-Therapieregime besteht. In diesem Fall ist eine vermehrte klinische Kontrolle und Überwachung der Laborparameter erforderlich.

Diese pharmakokinetischen Arzneimittelwechselwirkungen können für Patienten, die sowohl an einer chronischen Hepatitis C-Infektion als auch an einer HIV-Infektion leiden, klinisch signifikant sein, da bei gleichzeitiger Anwendung die Wirksamkeit dieser Arzneimittel vermindert sein kann.

Behandelnde Ärzte sollten diese Erkenntnisse mit allen Patienten besprechen, die derzeit mit einem HIV-Proteaseinhibitor und mit Boceprevir behandelt werden. Diese Patienten sollten in Bezug auf das Ansprechen auf die HCV-Behandlung und auf einen möglichen Wiederanstieg der HCV- und HIV-Viruslast engmaschig überwacht werden.

Patienten sollte angeraten werden, ihren Arzt zu kontaktieren, bevor sie irgendeines ihrer Medikamente absetzen.

Es liegen keine Daten zu pharmakokinetischen Arzneimittelwechselwirkungen mit anderen Ritonavir-geboosterten Proteaseinhibitoren vor.

Die Studie wurde von MSD auf Ersuchen des Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Marktzulassung von Victrelis lagen Interaktionsdaten nur für Ritonavir vor, die keine nennenswerten Wechselwirkungen zeigten. Daher waren signifikante Interaktionen mit Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitoren nicht zu erwarten. Allerdings bedurfte dies einer weiteren Bewertung mit spezifischen Daten zu Ritonavir-geboosterten HIV- Proteaseinhibitoren.

Infolgedessen wurden in einer Studie zur Pharmakokinetik bei 39 gesunden Freiwilligen die Arzneimittelwechselwirkungen zwischen Boceprevir und Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitoren untersucht.

Dabei führte die gleichzeitige Anwendung von Boceprevir mit Ritonavir in Kombination mit Atazanavir, Darunavir oder mit Lopinavir zu einer deutlichen Abnahme der Plasmakonzentrationen sowohl der HIV-Proteaseinhibitoren als auch von Boceprevir (im Fall von Darunavir und Lopinavir).

Insbesondere reduzierte Boceprevir die mittleren Talspiegel von mit Ritonavir¬ geboostertem Atazanavir, Lopinavir und Darunavir um 49 %, 43 % bzw. 59%. Neben der Abnahme der Talspiegel wurden auch für die AUC von Atazanavir, Lopinavir und Darunavir mittlere Abnahmen von 35%, 34% bzw. 44% beobachtet. Bei der Cmax von Atazanavir, Lopinavir und Darunavir wurden Abnahmen um 25%, 30% bzw. 36% festgestellt.

Während die gleichzeitige Anwendung von Boceprevir und Atazanavir/Rtv zu keiner nennenswerten Änderung der Plasmakonzentration von Boceprevir führte, kam es bei gleichzeitiger Anwendung von Boceprevir und Lopinavir/Rtv oder Darunavir/Rtv zu einer Abnahme der systemischen Verfügbarkeit (Konzentrations-Zeit-Kurve, AUC) von Boceprevir um 45% bzw. 32%.

Es sollte bedacht werden, dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Boceprevir in Kombi¬ nation mit Peginterferon alfa und Ribavirin zur Behandlung der chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1 bei HIV-koinfizierten Patienten nicht belegt sind. Derzeit werden klinische Studien durchgeführt, welche die Wirksamkeit und Sicherheit von Boceprevir bei diesen Patienten belegen könnten und Aussagen zur klinischen Bedeutung dieser pharmakokinetischen Befunde ermöglichen werden.

Ärzte, die eine Behandlung von HIV/HCV-koinfizierten Patienten mit Boceprevir in Kombi¬nation mit Peginterferon alfa und Ribavirin bei bestehender, virologisch supprimierender, antiretroviraler Behandlung mit einem Ritonavir-geboosterten HIV-Proteaseinhibitor initiiert haben, sollten diese Erkenntnisse mit den Patienten besprechen und die Patienten in Bezug auf das Ansprechen auf die HCV-Behandlung und mögliches Wiederansteigen der HCV-und HIV-Viruslast (Rebound) engmaschig überwachen.

Quelle: BfArM
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